Ryszard Górecki
Das Leben ist langweilig Unser Welt-Bild besteht aus Bildern, Schriftzeichen, Fotos, Filmen usw..., die irgendwann für Objektivität gehalten werden. Sie sind für uns zu einer überprüfbaren, korrigierbaren und diskutierbaren Wirklichkeit geworden. Das globale Dorf ist eine Fiktion der Kommunikation. Die Welt - alles scheint auf Informationen hinauszulaufen - ist konsequenterweise nur die richtige Anordnung von Linien, Punkten, Flächen, Farben, Schwarz/Grau/Weiß oder von Pixeln auf dem Bildschirm und kodifizierte elektronische Signale... Alles ist abrufbar und verfügbar. Der daraus zu schlußfolgernde autistische Kreis der "Welterkenntnis" läßt den französischen Philosophen Jean Baudrillard 1972 in seinem Buch "Kritik der politischen Ökonomie der Zeichen" das Schlimmste vorhersehen, daß die Wirklicheit selbst in den Zeichen untergegangen ist. Auch wenn es zum Glück noch nicht so weit gekommen ist, existiert im Globalen und im Lokalen die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und die Gleichwertigkeit des Ungleichwertigen. Sie sind zur Selbstverständlichkeit und banalen Alltäglichkeit geworden. Das Zappen mit der Fernbedienung des Fernsehgerätes erzeugt die äußere Welt. Es folgen hinter- und übereinander Bilder des Krieges, Musikclips, Filme, Werbung, Big Brother ... und so weiter. Der Zufall ersetzt den Sinn, das Ende - Tod - den Wert und die Überraschung die Geschichte. "Das Leben ist langweilig - und schmutzig", Anton Tchechow formulierte treffend das aufkeimende Lebensgefühl im 19. Jahrhundert der Massengesellschaft. Und der in Slubice wohnende Maler, Jahrgang 1956, kombinierte dieses Zitat fragmentiert in einer Zeichnung mit anderen Bruchstücken aus der Welt genormter Bilder. Das Gebiet der Suche nach diesen befindet sich aufgrund seiner vielen Aufenthalte in Deutschland auf uns vertrautem Territorium. Es tauchen Deckblätter von Heften, Broschüren und Katalogen made in GDR und Germany auf. Satzfragmente, Wörter, Redewendungen sowie Buchstaben, Signets und Zahlen finden Verwendung. Kurz, der Betrachter ist einbezogen in die Welt, die er als eine der allseits verfügbaren, globalen Zeichen und Bilder deutet. Das Feedback offenbart sich, kalkulierend und als Grundtenor immer anwesend, als eins des Erinnerns und Wiedererkennens. Das wäre eine der
Bildergeschichten seines wohl gut gekühlten Bildercocktails. Es ist
die Ebene, die am schnellsten und am oberflächigsten auszumachen ist.
Dann lichtet sich dieser Vorhang und mindestens zwei bzw. drei weitere
Bildebenen, im wahrsten Sinne des Wortes geschichtet, tauchen auf. Die
Normierung der Blattgrößen -- A4 Format - und die variabel kombinierbaren
Techniken des Zeichnens, Malens und der Collage unterstützen das stringente
Konzept der Serie. Er verwendet Skizzen, Bleistiftzeichnungen und Aquarelle
unbekannter Hobbymaler, Kopien aus dem Copyshop von minderer Qualität,
Collagen, darüber gelegte Folien, die wiederum bemalt, bedruckt oder
bezeichnet wurden. Das verbreitet die nostalgisch-wehmütige Aura von
Layouts für Plakat- und Coverentwürfe aus der Ära vor dem PC. Die Ästhetik
des Crossovers aktiviert bei einigen Betrachtern zudem Erinnerungen
an die sozialistische Rotlichtstrategie der Wandzeitung oder an liebenswert-chaotische
Pinnwände. Góreckis Handwerkszeug ist noch heute in der Zeit des Hightech
Schere, Klebstoff, Klebeband, Feder, Pinsel, Stifte und Retuschemittel.
Das trägt wesentlich dazu bei, dass die präcomputerisierte Didaktik
des Prozesses, das nachzuvollziehende Patchwork der Bildebenen, gleichberechtigt
wahrgenommen wird. Die Bildinseln werden noch stärker strukturiert,
isoliert und zugleich zum Inhalt geadelt. Der Regisseur des Ganzen entwirft keine subversiv alternative oder ätzende Bilder - bzw. Gesellschaftskritik, noch arbeitet er an Entmystifizierung und wiederum Fetischisierung der Bilderwelt, wie es in der klassischen Pop-Art und jetzt kursierenden Post-Pop-Art geschah und geschieht. Ryszard Górecki widmet sich seelenruhig, mit hauchdünner Ironie dem Abfall der Bilderflut und gelangt zu den nun präparierten Hüllen - zu den Zonen einer Metaebene, wo es vielleicht Realität und Gewissheit ohne Idealismus und Illusionismus gibt: "Das was ich sehe, ist nicht das, was ich weiß." Armin Hauer |
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