Joanna Rajkowska..

Joanna Rajkowska

Joanna Rajkowska

Joanna Rajkowska gehört zu den interessantesten Künstlerinnen und Künstlern, die in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in der polnischen Kunst aufgetaucht sind. Ihrem Werk immanent ist, daß sie als Stoff ihrer Arbeiten ihre persönliche Perspektive, ihr eigenes Image, ihre Person und ihre Biographie gebraucht. Sie bedient sich frei unterschiedlicher Medien und Konventionen und entwickelt dadurch Geschichten in subjektiven und fiktiven Erzählweisen, die auf beunruhigende Art und Weise häufig nur schwer von der Realität zu unterscheiden sind.
Mitte der 90er Jahre war Rajkowska vor allem von extremen Beziehungen zwischen Anatomie und Bewußtsein fasziniert. Diese Faszination fand ihren Ausdruck in Großformatfotos und hyperrealistischen Figuren, die an Schaufensterpuppen erinnerten. Ihre Skulpturen (...) stellten deformierte und mutierte Körper dar, Androgyne, Hybriden, Gestalten ohne erkennbare geschlechtliche Zuordnung. Die Arbeiten von Rajkowska weiten sich oft zu multimedialen Bildhauerinstallationen aus, in denen die Künstlerin neben den bei Schaufensterpuppenherstellern bestellte Figuren auch Fotos, Insekten und tote Tiere verarbeitet.

Das Projekt "Erfüllung garantiert" besteht aus industriell hergestellten Konsumwaren (...) und ist ihr ironischer und provozierender Kommentar zu Welt des Massenkonsums und dem Platz, den das Individuum in dieser Welt einnimmt.

Stach Szablowski
(Text im Katalog "in Freiheit / endlich. Polnische Kunst nach 1989", Kunsthalle Baden-Baden, 2000)

"Die Verwendung künstlerischer Medien ist für mich extrem davon abhängig, was ich sagen will. Es kann Fotografie, Performance, Produkt, Skulptur, Objekt oder - woran ich zur Zeit hauptsächlich arbeite - das Monument im öffentlichen Raum sein. Prinzipiell kommt zuerst die Idee und dann suche ich nach der adäquaten Sprache, um sie auszudrücken." (2001)

"They are cutting my fing'rs"

Ewa Gorzadek und Stach Szablowski im Gespräch mit Joanna Rajkowska (in Auszügen)

E./S.: Du bist bekannt für figürliche, hyperrealistische und groteske Skulpturen. Du hast Dich mit der verschwommenen Grenze zwischen Körper und Bewußtsein befaßt, du sprachst über den Einfluß des mutierten und behinderten Körpers auf die Identität . Was verbindet diese frühen Arbeiten mit Deinem neuen Projekt?

J.: Ich möchte über das menschliche Wesen aus chemischer Perspektive sprechen, Ich möchte meine eigenen Gedanken und emotionalen Impulse auf chemische Weise deuten, alles auf einen gemeinsamen Nenner bringen, daran erinnern, daß mein Denken und Fühlen seinen Ursprung im Körperlichen hat, daß energetische, chemische und biochemische Impulse durch mein Gehirn gehen. Derselbe Gedanke hat mich auch bei meinen früheren Arbeiten begleitet. Mein letztes Werk, genannt Satisfaction, hat seine Wurzeln in dieser Art von Überlegungen, aber geht noch weiter. Die Produkte, die ich als Satisfaction zeige, bedeuten, zu der untersten Stufe zu gehen, zu den Objekten, den Dingen. Es gibt keinen Platz mehr für Bewußtsein, für Denken, für Identifikation oder persönliche Reaktion. Ich wollte mich verkaufen, wie ich wirklich bin, im Verhältnis 1:1. Und weil klar ist, daß niemand braucht, was ich am besten kann (d.h. auf sehr besondere Weise zu denken), entschied ich, mich so billig wie möglich zu verkaufen. Als ich Schönheitsprodukte herstellte, hatte ich nicht die Absicht, das Fett des Benutzers zu beeinflussen. Hier kommen Familienverhältnisse, Fortpflanzung und Blutsverwandtschaft ins Spiel.

E.: Beim Nachdenken über Deine Arbeit war das Abendmahl meine erste Assoziation. Lasse ich den Aspekt des Geldes, die Tatsache, daß Du das Produkt für den Markt gefertigt hast, die Aspekte Werbung, Handel und Warenverkehr beiseite, so denke ich, daß der Künstler hier seinen Körper symbolisch opfert.

J.: Ja, ich habe gemerkt, daß viel Katholizismus in dem steckt, was ich tue, besonders in meiner Art zu denken, im Verhältnis zwischen der Arbeit und den Leuten oder zwischen mir, meiner Arbeit und den Leuten, was für mich erwähnenswert ist.

S.: Direkt gefragt: Ist Deine Arbeit ein Opfer?

J.: Ja, ich denke schon. Schon bei der Entstehung der Arbeit, habe ich sie mir angeschaut und festgestellt, daß sie katholisch ist. Katholisch im wahrsten Sinn einer Transformation des Körpers, und weniger in dem Glauben, daß es ausreicht, ein Etikett zu entwerfen, es Befriedigung (i.e. Satisfaction) zu nennen - und das wäre es dann. Schließlich in dem Gedanken, der anscheinend in mir ist: Indem ich werden will, muß ich verschwinden. Aber während ich an dem Projekt arbeitete und über mögliche Ergebnisse nachdachte, hatte ich nicht vor, mich zu opfern, ich wollte den Menschen nur einen starken Denkanstoß geben. Und ich wollte, daß sie kaufen und wirkliches Geld bezahlen. Ich glaube, daß Geld den Wert meiner Existenz bestimmt. Das ist der Witz, die Ironie in meinem Projekt. Ich freue mich, daß ich nicht erkennen kann, wieviel ich wirklich koste. Ich habe einen Stellenwert in der Preisskala. Es ist ein kapitalistischer Katholizismus.

S.: Was genau ist Deine Absicht bei diesem Projekt? Es gibt viele Lesarten für das, was Du tust.

J.: Ich habe nicht die Absicht, die Welt zu verbessern. Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Ich bin nur eine kleine Person, die beobachtet, was passiert und darüber nachdenkt, wie alles funktioniert. Ich interessiere mich dafür, wie die Marktstrategie auf meine Denkweise wirkt. Nicht nur, um zu enthüllen oder abzulehnen, das wäre zu kindisch. Es regt mich an, zu verstehen, wie diese Strategie funktioniert und ihre Sprache zu benutzen. Das Ziel dieses Projekts ist es nicht, zu vernichten, sondern eine gemeinsame Sprache und Kommunikation zwischen den Menschen zu finden.

S.: Ich suche nach biografischen Elementen in Satisfaction.

J.: Ich habe dieses exhibitionistische Bedürfnis, ich würde jeden anschreien, auch wenn er/sie nicht zuhören würde. Ich vertraue der Psychoanalyse nicht. Ich glaube nicht, daß Satisfaction mich emotional erleichtert. Aber andererseits würde ich wahnsinnig werden, wenn ich nicht arbeiten könnte. Kunst läßt Dich leben, läßt wenigstens mich leben. Kunst ist die Basis meines psychischen Gleichgewichts. Ich behandle mich selbst wie ein Instrument. Und ich mag es. Liebe es sogar. So sehr wie die Herstellung dieser Seifenstücke. Unser Leben und unser Körper sind ein Scherz und werden wieder zurückgegeben. Es geht schnell zu Ende.

Atelier Nr. 121, 3/2002 Mai/Juni/Juli


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