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Hubert Czerepok

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Hubert Czerepok: In den 90-er Jahren unternahm Hubert Czerepok subtile Raumeingriffe mittels Diaprojektionen, die für den Betrachter irritierende Raumerlebnisse erzeugten, oder konstruierte Räume, die nur durch einen schmalen Schlitz betrachtet werden konnten und die Grenzen zwischen Innen und Außen unklar erscheinen ließen.

"Unsere Wirklichkeit ist total künstlich." Genau das wurde dann sein Thema: Die Wirklichkeit, die der Kunst verloren gegangen ist. Um diesen Gedanken umzusetzen, erhebt Czerepok immer wieder Alltagsgegenstände zur Kunst - zu seinen Kunstgegenständen. Da dreht er zum Beispiel Videofilme mit seinen ganz persönlichen "alltäglichen Spuren" - vom Bett ins Bad, in die Küche, zur Arbeit und so weiter. Es handelt sich oft um nicht wiederholbare Aktionen. Wenn die Besucher gegangen sind, wenn die Ausstellung beendet ist, veschwinden die Szenen auf Nimmerwiedersehen.

In einer Slubicer Galerie hat er kürzlich bei der Ausstellung Recreational Facilities ein Freizeitzentrum mit Solarium, Grill und Wohnzimmer errichtet oder erhob zuvor bei anderer Gelegenheit die Renovierung der Galerie zur Kunstaktion. Im Jahr 2000 inszenierte er den Transport einer hölzernen Kiste von seiner Wohnung zum Polish Centre of Sculpture, in der sich allerdings keine Skulptur befand. In jüngster Zeit finden seine künstlerischen Aktionen im öffentlichen Raum statt, denn ihn reizt besonders die Konfrontation von Kunstwerk und alltäglichem Leben und die Einbeziehung von Menschen, die keine Künstler sind.

Hubert Czerepok

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"A. Meader erzählt von einer Dame, die am Tage vor ihrer Hochzeit ihr Hochzeitskleid zu probieren vergessen hatte und sich zur Verzweiflung der Schneiderin erst spät abends daran erinnerte. Er bringt es in Zusammenhang mit diesem Vergessen, daß sie bald nachher von ihrem Manne geschieden war. - Ich kenne eine jetzt von ihrem Manne geschiedene Dame, die bei der Verwaltung ihres Vermögens Dokumente häufig mit ihrem Mädchennamen unterzeichnet hat, viele Jahre vorher, ehe sie diesen wirklich annahm. - Ich weiß von anderen Frauen, die auf der Hochzeitsreise ihren Ehering verloren haben, und weiß auch, daß der Verlauf der Ehe diesem Zufall Sinn verliehen hat. Und nun noch ein grelles Beispiel mit besserem Ausgang. Man erzählt von einem berühmten deutschen Chemiker, daß seine Ehe darum nicht zustande kam, weil er die Stunde der Trauung vergessen hatte und anstatt in die Kirche ins Laboratorium gegangen war. Er war so klug, es bei dem einen Versuch bewenden zu lassen, und starb unverehelicht in hohem Alter."

(Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Die Fehlleistungen)

Hubert Czerepoks Fehlleistungen

Überraschungen kennen wir alle, aber oft kommen die interessantesten Überraschungen von uns selbst. Ohne zu wissen warum, sagen oder tun wir Dinge, die oft nichts mit unseren Erwartungen oder denen unserer Umgebung zu tun haben. Solche Dinge bringen uns zum Lachen, verwirren uns oder führen sogar manchmal zu Unglücken. Am interessantesten an ihnen ist aber, daß sie tendenziell zu einem gewissen Ziel führen, zu einer sich langsam abzeichnenden Alternative. So entstehen unvollständige Gewolltheiten oder Ungewolltheiten, Animositäten und Antipathien, die der Anfang eines Neuen sind, das wir noch nicht realisiert haben.

Versprecher sind Momente, in denen ein falsches Geräusch gemacht wird, das einen verzwickten Sinn birgt. Manchmal werden sie, vielleicht nur von den freundlicheren Leuten, als Mißverständnisse interpretiert. Aber unsere "Ausrutscher des Tuns" führen oft zu ungeahnten Konsequenzen, im Vergleich zu den Versprechern. Sie sind meistens dauerhafter, und ihre bedeutsamen Konsequenzen können zu Peinlichkeiten, Schande oder bestenfalls schließlich zu Überraschungen führen.

Anscheinend ist das Tun von manchen Künstlern Fehlleistungen ähnlich. Sagen wir, daß ein Künstler Dinge tut, die er selbst nicht erklären kann. Wie Siegmund Freud sagt: "Es handle sich um kleine Entgleisungen der Funktion, Ungenauigkeiten der seelischen Leistung, deren Bedingungen sich angeben ließen." So kann ein gesunder, sich wohlfühlender, Mensch Fehler machen, "1. wenn er leicht unwohl und ermüdet ist, 2. wenn er aufgeregt, 3. wenn er von anderen Dingen überstark in Anspruch genommen ist."

Hubert Czerepok passiert es, daß er sein Ziel vergißt, eigentlich seine Arbeiten zeigen zu wollen. Eine Ausstellung wird zu einem Versprecher, der so manche unklare Emotionen oder aber eine brillante (aber verdiente?) Ablenkung zeigt. Meringer und Mayer haben Fehlleistungen in Vorwegnahmen, Nebenwirkungen, Verwirrungen (Ansteckungen) und Substitutionen aufgeteilt. In diesem Sinne verwechselt ein Künstler die Verpackung seiner Arbeit mit der Arbeit selber, oder er geht zur heiligen Messe und vergißt, zur Ausstellung zurückzukommen. Und das Buch, das eigentlich das Thema der Ausstellung sein sollte, wird plötzlich zur Fliegenklatsche. Er hat die Besichtigung der Ausstellung mit einer Busrundfahrt verwechselt, aber in diesem Falle geht es seinen Betrachtern genauso. Es lohnt sich, hier hinzuzufügen, daß bei C. Fehlleistungen nicht nur im Zusammenhang seines künstlerischen Tuns auftauchen, sondern anscheinend auch in all seinem Tun.

Laßt uns zu guter Letzt auf die Kunst zurückkommen, nur um uns darüber klar zu werden, was abgesehen von dem künstlerischen Tun seinen Kopf verwirrt. Also, das werden wir wohl niemals erfahren, denn er weiß es vermutlich selber nicht. Die Diagnose ist die folgende: Es kann etwas vergleichbar Wichtiges sein, oder aber etwas vergleichbar Unwichtiges.

Monika Bakke


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